Angebote bei Konflikten nach Trennung und Scheidung
Dipl.-Psych. & Dipl.-Soz.-Päd. Tanja Keiling

Abstract: Die Untersuchungsergebnisse der letzten 3 Dekaden zum Thema Trennung und Scheidung sind vielschichtig und teils widersprüchlich. Ausmaß und Emotionaliät der Konflikte und der Umgang mit diesen gelten jedoch als die maßgeblichen Indikatoren für die Bewältigung der elterlichen Trennung sowie für die allgemeine psychische Entwicklung der Kinder. Eine Reduzierung der familiären Konflikte als erster Schritt ist hilfreich, aber nicht ausreichend. Respekt, funktionierende Kommunikation und alltägliche Verantwortungsübernahme gelten als Schlüsselkomponenten einer positiven Elternbeziehung, wobei unterschiedliche Umgangsmodelle und Familienstrukturen passend sein können (vgl. Fhtenakis 2008). Interventionsansätze bewegen sich dem Reorganisationsmodell entsprechend weg von Eingriffen durch Institutionen hin zu Verhandlungsstrategien mit dem Ziel einvernehmlicher Vereinbarungen. Beratungsangebote für Familienmitglieder im Trennungs- und Scheidungsprozeß sollten normativ und flächendeckend bereitgestellt werden.

Scheidung und Trennung
Eine Trennung löst in vielen Fällen eine Krise für Eltern und Kinder aus (vgl. Haffter 1948; Hetherington et al. 1998; Kahlenberg 1993; Petri 1992; Sander 1999), die zu Trauerreaktionen und Kontrollverlust führen kann (Rotter 1979). Die Dynamik von Scheidungsfamilien wird von Braun (1997) durch zerfallende Beziehungsstrukturen, Abwehrhaltungen, Selbstwertkrisen und beginnende Neuorientierung beschrieben. Durch die Trennung richtet sich die Sehnsucht nach Wärme, Nähe und Konstanz nicht selten auf das Kind (Beck-Gernsheim 1986), was Parentifizierungstendenzen wahrscheinlicher macht. Familiale Trennungen werden heute verstärkt als typische „Durchgangsstadien“ und normative (normal-erwartbare) kritische Lebensereignisse definiert (Fthenakis 2008). Nach systemischer Sichtweise bleibt der Familienkontext nach einer Trennung erhalten – die Familie reorganisiert sich nach einer „chaotischen“ Phase (Balloff & Koritz 2006, Fthenakis et al. 1982, Niesel 1989) und wird zu einer binuklearen Familie (Ahrons 1979). Balloff (2006) warf die provokante Frage nach der möglichen Antiquiertheit unserer Vorstellung von stabilen und lebenslangen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern auf. In Deutschland hat sich der Gedanke der fortbestehenden Elternschaft „Eltern bleiben Eltern“ verbreitet, der das anspruchsvolle Modell einer weiterhin geteilten Erziehungsverantwortung (co-parenting) impliziert (Fthenakis 2008). Der Gesetzgeber ist mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 diesem Modellansatz grundsätzlich gefolgt.

Situation und Reaktion der Kinder
Die Dauer und das Ausmaß der elterlichen Konflikte nach der Scheidung scheint sich auf alle Dimensionen kindlicher Anpassung an die neue Lebenssituation, ihre altersgemäße Entwicklung und ihre Rolle in der Familie und damit auf ihr Verhältnis zu den Eltern auszuwirken (Fthenakis 2008). Napp-Peters (1995) kam zu ähnlichem Schluß und sah aufgrund ihrer Studie die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung nach der Scheidung eher im Maß des Konfliktes zwischen den Eltern als in der Form der Sorgerechtsregelung begründet. Häufige Konflikte lösen aggressives Verhalten der Kinder aus, wobei Kinder gleichermaßen auf verbalen und nonverbalen Ärger reagieren. Kinder registrieren und konservieren Konflikte, auch wenn sie keine offenen Reaktionen zeigen; das Risiko für spätere psychische Krankheiten steigt hierdurch. Häufige Vermittlungsversuche der Kinder deuten auf ein zu hohes Konfliktniveau zwischen den Eltern hin. Aus systemischer Perspektive können Kinder im elterlichen Dauerkonflikt nicht beiden Eltern nahe sein, weil der Druck zur Parteinahme zu groß wäre. Sie geraten in Loyalitätskonflikte, ziehen sich von beiden Eltern zurück oder beziehen die Position eines Elternteils, was zur Parentifizierung (=Rollenumkehr), Allianzbildung oder PAS-Symptomatik mit klinischer Relevanz führen kann. (Fhtenakis 2008) Der Autor beschreibt die Zusammenhänge zwischen Konflikten und kindlicher Anpassung in der Nachscheidungszeit als durch Faktoren wie Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, Temperament, Geschwister- und Familiensystem unterschiedlich ausgeprägt (Moderatoreffekte). Kleinkinder reagieren emotional belastet, zeigen Zorn und versuchen, die Eltern abzulenken. Kindergartenkinder geben sich selbst die Schuld für die Trennung und haben größere Angst, einen Elternteil zu verlieren – sie sind langfristig am stärksten durch die Trennung belastet. 5 bis 10-Jährige versuchen, zwischen den Eltern zu vermitteln. Ältere Kinder können kognitiv den Prozeß erfassen, der zur Trennung führte. Kinder ab ca. 10 Jahren gehen häufig Allianzen mit einem Elternteil ein und überwinden so Loyalitätskonflikte. (ebd.) 25% der Jugendlichen aus Scheidungsfamilien wenden sich von ihrer Familie ab – im Vergleich zu 10% der Jugendlichen aus nichtgeschiedenen Elternhäusern (Hetherington 1993). Braun (1997) erklärt die Dynamik zwischen Eltern und Kindern durch Abwehr gegenüber Ängsten, Sehnsüchten und Kränkungen. Kinder erleben Trennungen als existentiell. Die Kinder spüren s. E., dass die Erwachsenen nun in ihren Empfindungen bezüglich der Trennung gefangen sind. Dadurch verlieren die Kinder ihre exklusive Bedeutung als Bindeglied zwischen den Eltern, was sie auch spüren. Die Kinder suchen nach Möglichkeiten, die Eltern miteinander zu versöhnen – da dies in der Regel scheitert, wachsen Selbstzweifel und Schuldgefühle der Kinder (ebd.).
Fazit: Offene und verdeckte Konflikte belasten Kinder gleichermaßen.

Strategien der Eltern – Anatzpunkte für Beratung
Die durch Ahrons & Rodgers (1987) untersuchten Eltern ließen sich in miteinander kooperierende Familien mit niedrigem bis mittlerem Konfliktniveau, Familien, die parallele Elternschaft praktizierten (kaum Kommunikation/ Kontakt) und ca. 30% schwer belastete Familien mit hohem Konfliktniveau und geringer Kooperation (hochstrittige Eltern) gruppieren, wobei negative Symptome der Kinder entsprechend der Gruppierung zunahmen und viele Umgangskontakte gekoppelt mit häufigen Konflikten die meisten Probleme für die Kinder verursachten. Wichtiger als das Ausmaß fehlender Übereinstimmung ist der Umfang, in dem diese von ungelösten emotionalen Fragen durchdrungen ist. Wutausbrüche als elterliche Konfliktform erwiesen sich in mehreren Studien als Prädiktor für vermehrtes kindliches Problemverhalten. Doch auch konfliktvermeidendes Verhalten der Eltern belastete die Kinder dauerhaft. Die Fähigkeit der Eltern, Grenzen angemessen zu wahren, erwies sich als günstiger Prädiktor hinsichtlich der Trennung von Eltern- und Paarebene. (ebd.) In einigen Studien wurden Pfadmodelle mit multiplen Variablen entwickelt, die folgende Ergebnisse erbrachten: Selbstwert, psychische Gesundheit und Stabilität sowie Persönlichkeitsentwicklung (Anpassung der Erwachsenen) sind mit der Qualität der Paarbeziehung korreliert; höheres Konfliktniveau der Eltern ist mit weniger Wärme und globalen negativen Emotionen von Eltern und Kindern assoziiert; problematische Eltern-Kind-Beziehungen stehen mit kindlichem Fehlverhalten oder Anpassungsproblemen in Zusammenhang. Der Autor leitet daraus als Ansatzpunkte für Interventionen ab (S. 36):
– Förderung des individuellen Selbstwertgefühls bei den Eltern,
– Vermittlung von positivem konsistentem Elternverhalten,
– Vermittlung von Strategien zur Deeskalation von Konflikten und Training in konstruktiver Problemlösung.
Positiv wirksame Interventionen werden das Gesamtsystem positiv beeinflussen. Je mehr positive Veränderungen stattfinden, um so wirkungsvoller werden diese sein und bleiben (ebd.). Gottmann (1993) sieht das Problem nicht in der Häufigkeit der Konflikte, sondern im Ausgleich strittiger und kooperativer Interaktion, der in funktionierenden Beziehungen (mit eher positiver Bilanz der Kooperation) stattfindet. Mehrere Studien belegen, dass die (gegenseitige) Infragestellung elterlicher Kompetenz die Konflikte zwischen den Eltern steigert, dass in hochstrittigen Systemen weniger Informationen ausgetauscht und mehr Dysfunktionalitäten erlebt werden (Fthenakis 2008). Stachowiak (2000) beschreibt diese Dysfunktionen durch die Merkmale: Produktivität (Sind kooperative Entscheidungen möglich?), Führungsrolle (Wird Führung übernommen?), Kommunikation (Findet aufeinander bezogener Austausch statt?) und Konflikte (Werden sie verletzend und betont ausgetragen? Wird Gegenargumentation zugelassen?). Dem Family-Transition-Ansatz (Cowan 1991) folgend kann das dysfunktionale System als in der Krise steckengeblieben verstanden werden, wobei die Integration der Veränderung in das Selbst die Weiterentwicklung ermöglicht. Damit würden sich auch die unzureichende Affektkontrolle, hohe Emotionalität und potentielle Feindlichkeit der ExpartnerInnen erklären, die sich auch in der Übernahme von Positionen zeigt.
Fazit: Das elterliche Erziehungsverhalten und ihre Konfliktbewältigungsstrategien moderieren die kindliche Anpassung und den Elternkonflikt (vgl. Fthenakis 2008). Die Reaktion des sorgeberechtigten Elternteils auf den Konflikt wirkt sich auf die vom Kind gezeigten Symptome und seine Verarbeitung des Scheidungsgeschehens aus (Fauber et al. 1990).

Erfahrungen mit Beratung im Kontext von Trennung und Scheidung: Konflikte im Zentrum des Interesses
Paul & Dietrich (2006a) bemerken das Fehlen einer systematischen Untersuchung an einer aussagekräftigen Stichprobe hochstrittiger Eltern in Deutschland zur Ätiologie und Wirksamkeit von Interventionen. Sie fanden einzig anhaltende Konflikte als starken Prädiktor für emotionale Probleme der Kinder in verschiedenen Studien. Am gravierendsten waren die Folgen für die Kinder bei Auftreten interparentaler Gewalt (ebd.). Begleiteter Umgang gilt als wenig konfliktmindernde Maßnahme (Paul & Dietrich 2006b), erhält jedoch den Kontakt zwischen Eltern und Kind. International ergibt sich eine Wirksamkeit von ca. 25% für diese Maßnahme (Fhtenakis 2008). In Verbindung mit Mediation zeigten sich jedoch stark verbesserte Effekte (50% einvernehmliche Eltern; Keiling 2009). Fuhrmann & McGill (1995) heben hervor, dass die Bereitschaft zur Kooperation darüber entscheidet, ob die Eltern effektiv kommunizieren können – der Zeitpunkt der Gespräche und die Motivation der Teilnehmenden sind i. E. entscheidend für deren Erfolg.
Die Strittigkeit kann durch einen Paradigmenwechsel vom „Gewinnenwollen“ hin zum „Durchsetzen meiner Interessen“ auch in hochstrittigen Familiensystemen durchbrochen werden (Diez et al. 2005). Hochstrittigkeit kann die betroffenen Kinder traumatisieren und bringt die Eltern nicht selten zur Verausgabung ihrer Ressourcen. Sozialpsychologisch gesehen zwingt eine immer höhere Investition in den Streit (um das Kind) zum Weitermachen, weil diese rückwirkend zu rechtfertigen ist, um sich nicht als Verlierer oder Opfer bzw. als fehlbar definieren zu müssen, was eine deutliche Herabsetzung des Selbstwertes bedeuten würde (Aronson 2004, Kap. 5 + 6). Hochstrittigkeit kann induzierendes Verhalten der Eltern einschließen. Haynes et al. (2002) empfiehlt für hochstrittige Familien: 1. an der Trennung von elterlicher und ehelicher Rolle zu arbeiten. Die Konflikte rühren i. E. von der Unfähigkeit hierzu („Er hat uns verlassen“). Wut auf die ExpartnerIn soll auf der Erwachsenenebene ausgetragen und ausgedrückt werden. 2. An den Positionen, die die Akteure in der Defensive belassen, zu arbeiten. Durch die Frage nach dem schlechtesten Mediationsergebnis werden unbegündete Befürchtungen („Kinder verlieren“) abgebaut. 3. Zwischen den Positionen einer Person und beider Eltern können Dissonanzen geschaffen werden, die zur kognitiven Veränderung führen sollen.
Fichtner (2006) sieht Bedarf für hochstrittige Trennungseltern in vier Bereichen: 1. mehr Theorie (empirisch gesicherte Modelle) und Befunde zu Bedingungen und Aufrechterhaltung von Konflikten sowie zu Ansatzpunkten der Konfliktlösung; 2. strukturiertere und neue Interventionskonzepte, Integration bestehender Interventions- und Beratungselemente; 3. stärkerer Einbezug der Kinder in die Interventionen; 4. mehr Wissen über Effekte und Effektivität des professionellen Vorgehens.
Balloff (2004) sieht in hochstrittigen Fällen das Wohlergehen des Kindes mit großer Wahrscheinlichkeit in Gefahr, weil es Entscheidungsobjekt zwischen Eltern, Ämtern und verschiedenen Professionellen ist, über das im Zweifelfall verfügt wird. Das macht eine Bezugnahme auf den Kindeswillen schwer. Fthenakis (2008) bewertet die bisher evaluierten Interventionsstrategien in hochstrittigen Familienkonflikten als nur begrenzt wirksam. Gödde (2008) schlägt vor, als Ziele der Interventionen das Konfliktniveau der Eltern zu senken und gleichzeitig die Beziehung zwischen umgangsberechtigtem Elternteil und dem Kind zu stärken, wobei grundsätzlich die Autonomie der Familie gefördert werden soll.
Fazit: Konflikte und ihre Bewältigung sind ein wichtiger Indikator für die Auswirkungen von Trennungen auf die Familienmitglieder. Kindeswohlgefährdung lässt sich durch die Beziehung und Interaktion zwischen Eltern und Kind auch in einem frühen Studium identifizieren (Ziegenhain & Fegert 2008). Die Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen wirkt präventiv, aber auch reaktiv günstig. Unterstützung hochbelasteter Familien hinsichtlich des Wissens über kindliche Entwicklung und der Förderung feinfühligen Umgangs mit dem Kind helfen gerade jungen Eltern, Situationen von Überforderung zu überwinden. (ebd.)

Qualität und Struktur von Beratungsangeboten bei Trennung und Scheidung
Die festgestellten langfristigen Folgen der Scheidung erfordern auch langfristige Lösungen und sind nicht durch eine einmalige Beratung zu beheben (Napp-Peters 1995). Notwendig ist nach ihrer Einschätzung ein langfristig angelegtes professionelles Beratungskonzept für Scheidungsfamilien, um die speziellen Probleme zu lösen. Vielen Eltern war nicht bewußt, dass die Qualität ihrer Beziehung zum Kind über dessen Bewältigung der Trennung und der neuen Familiensituation entscheidet (ebd.). Napp-Peters sieht den Kindern wesentlich geholfen, wenn der Elternkonflikt entschärft wird und der Kontakt zu beiden Eltern erhalten bleibt und fordert eine Beratungspflicht für alle Scheidungseltern. Sie berichtet, das Beratungsangebot der Jugendhilfe werde von Fachleuten als unzureichend kritisiert. Die Eltern sollten i. E. ihren Beratungsbedarf nicht als im eigenen Versagen begründet sehen, sondern als normativ und die Beratung als Regelleistung, die (noch) nicht für alle verbindlich ist. Gründel (1995) betont, Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht (a. F.) würden dringend einer Vorbereitung, Klärung und Unterstützung für das erfolgreiche Realisieren benötigen. Der Beratungsraum würde auch als Schutzraum gebraucht.
Nur 10,6% der von Amendt (2006) untersuchten Männer hatten Hilfe bei einem Mediator gesucht; 56,4% (eher Besserverdienende) bei einem Rechtsanwalt und 36,3% in einer Familienberatungsstelle sowie 47,2% (eher Geringverdienende) beim Jugendamt (Mehrfachnennungen waren möglich). Die in der Studie untersuchten Väter waren mit der Beratung und Hilfe des Jugendamtes nicht zufrieden. Sie erlebten die MitarbeiterInnen als parteilich und als ihnen nicht zuhörend, was hinsichtlich der Bezugnahme der RichterInnen auf die Aussage des Jugendamtes zu Problemen führen mußte (Amendt 2006). In einer Studie über den Erfolg und Nutzen gerichtsnaher Beratungen im Falle einer Scheidung in Regensburg (Buchholz-Graf et al. 1998) wurden u. a. folgende Schlüsse gezogen: Die Eltern waren sehr zufrieden mit dem Angebot der Mediation oder Schlichtung (80% würden die Beratungsstelle wieder aufsuchen). Auch Väter und Eltern mit niedrigem Schulabschluß konnten erreicht werden (ebd.). 31% der gering zur Beratung motivierten Eltern und 35% der Motivierten sagten, dass die Beratung erfolgreich gewesen sei; 41% der Nichtmotivierten und 31% der Motivierten sagten aus, sie sei nicht erfolgreich gewesen und 28% antworteten mit „teils-teils“ (ebd.). Motivation konnte nicht als allein entscheidende Variable für den Erfolg der Mediationen bestätigt werden. Schriftliche Vereinbarungen, wie sie in der Mediationstheorie empfohlen werden, lösen nicht selten Ängste und Abwehr aus, gerade wenn sie zu früh im Mediationsprozeß eingesetzt werden (ebd.), sodass die BeraterInnen mündliche Absprachen präferierten, da sie den Eltern die Möglichkeit eröffneten, diese im Alltag eigenverantwortlich zu testen und zu modifizieren (oder zu verwerfen). Die Beteiligung der Kinder an Mediationsgesprächen oder die Inanspruchnahme von Beratungen für das Kind setzt voraus, dass die Eltern die Konflikte nicht mehr eskalieren, weil das Kind dadurch verstärkt in Loyalitätskonflikte geraten kann. Beide Eltern sollten die Beteiligung des Kindes unterstützen, andernfalls verstärkt sich der Druck auf das Kind anstatt sich zu verringern. Die Gefahr, dass Kinder von einem Elternteil instrumentalisiert werden, um dessen Position zu stützen, besteht. Trotz einer stärkeren Einbeziehung der Kinder gilt im hier gesetzten Modell der Grundsatz: „Elternwohl ist Kindeswohl“. Eltern taten nach Einschätzung der BeraterInnen für ihre Kinder dann am meisten, wenn sie gut miteinander kooperierten (Buchholz-Graf et al. 1998). Die Gerichtsnähe der Beratungsstelle lag im Faktum des gleichen Ortes und in der Empfehlung bzw. „Überweisung“ der RichterInnen dorthin. Eine intensivere Beratung für alle Phasen des Trennungsprozesses als die bislang mögliche wurde von den Beteiligten als notwendig erachtet. Die RichterInnen hielten in jedem 5. Fall Beratung bzw. für 15% der in Scheidung befindlichen Familien für notwendig (ebd.).
Die verfügbaren Hilfsangebote vor Ort unterscheiden sich durch ihren Anteil an emotionalen und personzentrierten Inhalten. Die Zuweisung einer Familie zum für sie geeignetsten Beratungs- oder Therapiemodell ist nicht möglich. (Hess 2003) Die Gründe dafür liegen im Angebot vor Ort, bei Vorerfahrungen und Ängsten, beim Image des Trägers, in Problemdefinitionen, Zuweisungen, Zielen usw.
Wenn das Reorganisationsmodell zugrunde gelegt wird, verlangt das einen Wechsel vom Konfliktmodell (Anwalt, Gericht) zum kooperativen Ansatz in Familiensachen, d. h., die Professionellen sollen Alternativen zum klassischen Rechtsstreit entwickeln. Johnston (2002) stellt aus dem angloamerikanischen Bereich die Methoden Collaborative Law (transparente Gespräche), Co-Parenting-Arbitrator (Schiedsrichter) und Family Coordinator (case manager) vor, die in Fällen von Hochstrittigkeit zu paralleler Elternschaft führen sollen. Spangenberg & Spangenberg (2000) berichten über den integrierten Interventionsansatz (humanistische Psychologie, Techniken aus Mediation, NLP, Systemtherapie). Dietrich (2008) ließ die Tiefenstruktur des Elternkonflikts unbeachtet und bediente sich auch Einzelgesprächen, der Co-Mediation und der Shuttle-Mediation, die destruktive Elemente aus der Kommunikation ausblendet. Der Autor beruft sich auf Publikationen von Bamberger (1999), de Shazer (1997) und Diez, Krabbe & Thomsen (2002). Mediation als Intervention im Trennungskonflikt hat die Ziele, eine emotionale Entflechtung der Eltern zu erreichen, Probleme wechselseitig wahrnehmbar zu machen sowie Positionen in Interessen zu wandeln und damit den Lösungsraum zu erweitern (Dietrich 2008). Wertschätzung der Eltern, zirkuläre Fragetechniken, Informationen über Wirklichkeits- und Möglichkeitskonstruktionen gelten als wirkungsvolle Instrumente im Interventionsprozess, wenn das Bezugssystem der Klienten einbezogen wird (ebd.). Mediation als Technik für Hochkonfliktfälle wird hier als uneffektiv abgelehnt; variablere Interventionslinien scheinen erfolgversprechender. Empirische Belege fehlen jedoch. Gödde (2008) schlägt folgendes Schema zum Verständnis der Schwerpunkte der Intervention vor: individuelle Faktoren und die Kontextebene wirken direkt auf die familialen Beziehungen ein. Beratung und Umgangsbegleitung intervenieren in Richtung Konfliktreduzierung und Verbesserung der Interaktionen. Eine Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung gilt im Modell als Zielvariable, d. h., der Elternkonflikt muss nicht abgebaut werden, um Erfolg zu bilanzieren. Die Ziele der Intervention sollen nicht normativ, sondern an den Möglichkeiten der Familie orientiert sein und können unabhängig voneinander konzipiert werden (ebd.). Die von diversen Anbietern (Diakonie, KSB) konzipierten Elterntrainings (meist 10 Sitzungen für ca. 100-200€) zum Erwerb von Handlungsalternativen und Feinfühligkeit werden durch ihre hohe Zugangsschwelle vermutlich von wenigenstark belasteten Eltern aufgesucht.
Fazit: Niedrigschwellige ausreichende zielgruppenspezifische flächendeckende vielseitige Beratungs- und Hilfsangebote für die von familialen Trennungsprozessen Belasteten besonders hinsichtlich zielführendem Konfliktmanagements sind nötig, um gesellschaftliche und individuelle Folgeschäden und –kosten zu begrenzen oder zu vermeiden (vgl. Weinmann 2007). Dabei ist keiner Beratungsvariante oder Methode der Vorzug zu geben. Vielmehr sollte die tatsächliche Verfügbarkeit der Interventionsmöglichkeiten in die Planung einbezogen werden (z. B. internetgestützte und aufsuchende Angebote).

Literatur auf Seite 2